Gedanken zum Thema Bilddiebstahl im Internet
Es beginnt, wie so häufig, mit GOOGLE … und in diesem Fall mit dem Ausprobieren der Bildersuche und der eher zufälligen Auswahl eines Fotos, das ich vor einigen Jahren mal in der FOTOCOMMUNITY hochgeladen und im NIKON Forum gezeigt habe. Was GOOGLE da innerhalb von wenigen Sekunden als Suchergebnis ausspuckt, hat mich nun doch überrascht und beschert mir und Euch das Thema für meinen heutigen Artikel.
Die GOOGLE Bildersuche ist ein mächtiges Instrument. Ein Klick auf das kleine schwarze Kamerasymbol, und es öffnet sich ein Fenster, in dem ich die URL eines Fotos benennen oder über ein Auswahlfenster eine Bilddatei von meinem Rechner aus hochladen kann. Nach dem Bestätigen benötigt GOOGLE nur ein paar Sekunden für das Anzeigen einer größeren Zahl von Bildsynonymen. Noch interessanter ist allerdings, was gegebenenfalls darunter angezeigt wird: Eine Liste der bei GOOGLE indizierten Internet-Seiten, auf denen exakt mein ausgewähltes Foto zu finden ist.
Oben: Nach zwei Eingabeschritten startet die GOOGLE-Bildersuche und verschafft mir einen interessanten Überblick, wo mein Foto überall im Internet verwendet wurde.
Das willkürlich ausgewählte Foto wurde von mir bis zum heutigen Tag nur zweimal publiziert, nämlich im Januar 2009 auf der Seite der FOTOCOMMUNITY und im NIKON-Forum, jeweils mit einem Copyright-Vermerk und meinem Community-Pseudonym in der linken unteren Ecke. Die Nutzungsrechte lagen und liegen ausschließlich bei mir und nie hat mich jemand gefragt, ob er das Bild anderweitig verwenden dürfe. Ich stelle jedoch fest, dass der balinesische Bauer mit dem roten T-Shirt, den ich vor etlichen Jahren mit einer Ladung Grünzeug auf dem Kopf fotografiert habe, ziemlich weit herumgekommen ist.
Oben: Das Originalfoto mit dem Urhebervermerk, wie es ursprünglich von mir gepostet wurde.
So findet er sich zur Bewerbung einer „romantischen Bali-Reise“ auf der Seite eines portugiesischen Reiseanbieters, bei zwei anderen Reiseveranstaltern aus Spanien steht er neben den Myanmar-Angeboten bzw. in der Bildergalerie zu Vietnam. Na ja, vielleicht gibt es dort ja auch solche Motive. Außerdem entdeckt man meinen balinesischen Bauern in der Bebilderung einer spanisch-sprachigen Webseite mit einer Abhandlung zur Gesundheit und Langlebigkeit der Landbevölkerung (wobei es im Text allerdings ebenfalls um ganz andere Länder geht als Indonesien oder Bali). Schließlich schmückt er den Twitter-Account eines spanischen Mädchens, das sich mit Bibelzitaten über die Gottgefälligkeit manueller Arbeit auslässt, erscheint in diversen Reise-Blogs mal als Balinese, mal als Japaner, mal als Costa Ricaner und - der Arme - überall ohne Füße, die zumindest einer der Nutzer ihm leider zusammen mit meinem Copyright-Vermerk abgeschnitten hat, bevor die anderen sich auf dessen Webseite ebenfalls bedienten.
Oben: Eines der Reisebüros mit meinem zweckentfremdeten Foto. Mein balinesischer Bauer würde sich wundern, dass seine harte Arbeit nun als Bebilderung für das "romantische Bali" dient. Füße hat er keine mehr, die wurden mit dem Copyright-Vermerk abgeschnitten.
Oben: Auf dieser Webseite geht es um eine Abhandlung zu den sogenannten "blauen Zonen" der Welt, in denen Menschen angeblich ein statistisch besonders hohes Alter erreichen. Interessant: Bali und Indonesien gehören nicht zu diesen Ländern. Dort sterben die Menschen vergleichsweise jung. Was macht unser balinesischer Bauer auf dieser Seite? (Andere Bilder in nennenswerter Größe unkenntlich gemacht.)
Oben: Der Twitter-Account mit den Bibelzitaten der kleinen Marleny. Man ist geneigt, ihr die unerlaubte Bildverwendung nachzusehen. Obwohl: Gab es da nicht auch so ein Bibel-Zitat zum Thema Diebstahl? ;-)
(Andere Bilder in nennenswerter Größe unkenntlich gemacht.)
Oben: Und noch einer von mehreren Reise-Blogs. Das Foto stammt gar nicht aus der Gegend von Ubud, wie hier Glauben gemacht wird, aber sei's drum ...
Kann man gegen die unerlaubte Bildverwendung vorgehen? Natürlich, das kann man. Die Beweislage ist eindeutig, niemand außer mir kann Rohdaten zu dem Foto vorlegen. Lohnt es sich, in dieser Sache in anderen Ländern tätig zu werden, ggflls. mit einem Rechtsbeistand vor Ort und vor dem Hintergrund eines eventuell schwachen oder nicht vorhandenen Urheberrechts? Vielleicht könnte man mit gewissem Aufwand erreichen, dass die unerlaubte Nutzung des Bildes eingestellt wird. Das wäre aber lediglich eine Frage des Prinzips. Finanziell wird sich das aufgrund des grenzüberschreitenden Aufwands sicher nicht rentieren. Und vor allem habe ich weder Zeit noch Lust dazu.
Natürlich offenbart die gewerbliche Nutzung eines geklauten Fotos und das bewusste Wegschneiden des Copyright-Vermerks in ihrer Selbstbedienungsmentalität durchaus kriminelle Energie, während das twitternde Mädchen mit einem Foto, um dessen Herkunft es sich wahrscheinlich keine Gedanken gemacht hat, allenfalls als moralisch naiv bezeichnet werden kann. Das deutsche Urheberrecht hat dazu einen klaren Standpunkt, hat jedoch nicht überall auf der Welt ein gleichwertiges Äquivalent und sieht sich der gelebten Realität eines alltäglichen, millionenfachen Verstoßes gegenüber. Wir befinden uns im Zeitalter der Fake-News und der viralen Bildverbreitung mittels GOOGLE, FACEBOOK, TWITTER, WHATSAPP & Co. Fragt irgendjemand, ob er ein Foto, das er findet oder in den sozialen Netzwerken von irgendwoher geschickt bekommt, weiter verbreiten darf? Denkt irgendjemand darüber nach, ob der Urheber des Bildes oder eine eventuell gezeigte Person mit der Verbreitung einverstanden ist, oder ob das Bildmotiv überhaupt das zeigt, was bei der Nutzung durch den Kontext impliziert wird? Tue ich selbst das?
Es stellt sich die Frage, ob Herkunft und ursprüngliche Aussage eines Fotos heutzutage überhaupt noch relevant sind, wenn wir nicht gerade von einem zeitgeschichtlichen Dokument sprechen. Der balinesische Bauer steht heute für einen Balinesen, morgen für einen Costa Ricaner, übermorgen ist er vielleicht Vietnamese und Burmese zugleich. Bei der Nutzung des Bildes ist entscheidend, was er sein könnte für die Mehrheit der Betrachter, die mangels Landeskenntnis nur ihre Klischees zur Beurteilung dessen hat, ob das Bild authentisch erscheint oder nicht. Möglicherweise kann so ein Foto ja auch genauso gut in Costa Rica oder Vietnam geschossen werden. Was spielt es da für eine Rolle, dass dieses Foto tatsächlich auf Bali aufgenommen wurde? Für den Nutznießer jedenfalls spielt es keine Rolle. Die Selbstverpflichtung seriöser Bildjournalisten und Dokumentarfotografen, sich bei der Bearbeitung ihrer Bilder auf Schärfung und Tonwert-Korrekturen zu beschränken und jeden bildverändernden Eingriff abzulehnen, der die Authentizität und den dokumentarischen Wert des Fotos beschädigen würde, mutet dagegen geradezu weltfremd an.
Copyright 2017 by Klaus Schörner / www.bonnescape.de
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Carola Mittmann (Sonntag, 17 Mai 2020 18:03)
Hallo Herr Schörner,
ein interessanter und kurzweiliger, weil humorvoller Post zu einem ernsten Thema. Gefällt mir. Schamlose Urheberrechtsverletzungen werden durch die gelebte Selbstverständlichkeit, mit der sie im Alltag begangen werden, nicht rechtens. Aber das scheint mir wie ein Kampf gegen Windmühlen.
Herzliche Grüße
CM