Landschaft I, Grauverlauffilter

Filter für die Landschaftsfotografie, Teil I:  Grauverlauffilter

Test: Grauverlauffilter im praktischen Einsatz, Rechteckfilter. Copyright 2013 by Klaus Schoerner

Ein gutes Landschaftsmotiv, der Himmel hell, der Vordergrund dunkler. Was das menschliche Auge durch seine selektive Wahrnehmung problemlos verarbeitet, führt bei der objektiv aufzeichnenden Digitalkamera oft zu einem scheinbar unausgewogenen Bildergebnis, das mit der "gesehenen Realität" nur wenig zu tun hat. Ist der Hell-Dunkel-Kontrast hoch, kann an den Enden der darstellbaren Tonwertskala Bildinformation verloren gehen: Die hellen Bildpartien werden überstrahlt, die Tiefen saufen ab. Da holt man dann auch am Rechner später nur noch begrenzt Details heraus.  ...

Bei unbewegten Motiven kann man sich mit einer Belichtungsreihe helfen und die einzelnen Bilder später am Rechner maskiert zusammenfügen. Allerdings beinhaltet ein Landschaftsfoto häufig auch Elemente, die von Bild zu Bild nicht unbedingt stillhalten. Zum Beispiel kann fliessendes Wasser am Strand oder vom Wind bewegte Vegetation beim Zusammenfügen der einzelnen Belichtungen zu unschönen Geisterbildern führen. Deren Beseitigung macht die Nachbearbeitung am Rechner schnell zu einem unerfreulich zeitraubenden Prozedere. Daher hat es Vorteile, das Problem der Kontrastbewältigung bereits bei der Aufnahme zu lösen.

Grauverlauffilter in der Landschaftsfotografie

Der Landschaftsfotograf verwendet zu diesem Zweck sogenannte Grauverlauffilter oder Graduates. Gemeint sind damit quadratische oder rechteckige Scheiben aus optisch reinem Glas oder Kunstharz, die am einen Ende transparent grau eingefärbt sind und am anderen Ende klar, mit einem mehr oder weniger weichen Übergang dazwischen. Prinzipiell wird so ein Filter vor das Objektiv gehalten oder dort so befestigt, dass die eingefärbte Hälfte den zu hellen Bereich des Bildes bei der Aufnahme abdunkelt. Dazu sind entsprechende Halter erhältlich, die mittels Adapterring drehbar gelagert in das Filtergewinde des Objektivs eingeschraubt werden. Der Filter kann dann in einer Führungsschiene so verschoben werden, dass die Abdunklung dem Motiv entsprechend angepasst werden kann. Quadratische Filterscheiben sind dabei mangels Höhe etwas eingeschränkter als die größeren rechteckigen Scheiben. Grauverlauffilter sind in unterschiedlichen Dichten bzw. Abdunklungsgraden erhältlich. Je größer der zu überbrückende Kontrast, desto dunkler wählt man den Filter. Die kombinierte Verwendung mehrerer Rechteckfilter ist grundsätzlich möglich, jedoch addiert sich mit dem Einbringen jeder weiteren Scheibe in den Strahlengang auch das Risiko für einen gewissen Verlust an Bildschärfe. Der jeweilige Grad der Abdunklung am gefärbten Ende des Filters wird mit dem Korrekturfaktor angegeben, der bei der Belichtung notwendig wäre, um den abgedunkelten Teil des Bildes so aussehen zu lassen, wie ohne Filter. Ein ND 0,3 Filter entspricht dabei einem Korrekturfaktor von +1 Lichtwert bzw. Blende, ein ND 0,6 benötigt +2 Blenden, ein ND 0,9 kompensiert +3 Blenden. 

Test: Strandszene Bali ohne Verlauffilter mit entsprechend hohem Hell-Dunkel-Kontrast zwischen Vorder- und Hintergrund, Foto: Dr. Klaus Schoerner

Oben: Strandszene Bali, Aufnahme ohne Verlauffilter mit entsprechend hohem Hell-Dunkel-Kontrast zwischen Vorder- und Hintergrund. Belichtung 1/350 Sekunde bei Blende 11.

Unten: Foto aus der gleichen Serie mit weichem Grauverlauffilter ND 0,6, der etwa im oberen Bilddrittel angesetzt wurde. Die Belichtung des Vordergrundes ist etwas heller mit entsprechend intensiverer Farbwiedergabe, die Wolken sind etwas dunkler und zeigen mehr Zeichnung. Die Belichtung wurde von der Kameraautomatik verlängert, um die partielle Abdunklung auszugleichen: 1/200 Sekunde bei Blende 11.

Test: Strandszene Bali mit Verlauffilter ND 0,6, Foto: Dr. Klaus Schoerner

Mein Aufnahmeset besteht aus je einem Filter ND 0,3, ND 0,6 und ND 0,9 mit weichem Verlauf. Ausserdem nehme ich stets noch einen ND 0,6 mit hartem Verlauf für Motive mit stark horizont-betontem Hell-Dunkel-Kontrast und einen sogenannten Reversed Graduate ND 0,6 mit. Bei Letzterem sind beide Enden der Filterscheibe mehr oder weniger klar und dazwischen nimmt die Dichte asymmetrisch zu und wieder ab. Der Reversed Graduate gleicht also in der unteren Hälfte einem normalen Grauverlauffilter, verhindert aber durch seine oben wieder abnehmende Dichte speziell bei Weitwinkel-Aufnahmen mit tief stehender Sonne, dass der von der Lichtquelle abgewandte Bereich des Himmels zu dunkel wird.

Erfahrungsbericht: Mein Standard-Set an Grauverlauffiltern

Oben: Mein Standard-Set von Grauverlauffiltern der 100er Serie: ND 0,3 - ND 0,6 - ND 0,9 - Reversed ND 0,6.

Die drei LEE-Filter haben das komfortable 100x150 mm Format. Der Reversed von HAIDA ist mit 100x120 mm ein wenig kurz, was die Positionierungsmöglichkeiten im Filterhalter etwas einschränkt.

Einige Grauverlauffilter produzieren einen Farbstich

ND steht für neutral density. Tatsächlich unterscheiden sich die Filter der einzelnen Hersteller etwas in der Interpretation dessen, was als neutral bezeichnet werden kann. So neigen einige Produkte mit zunehmender Dichte zu einem leichten Magenta-Farbstich, der eine Nachbearbeitung am Rechner erforderlich macht. Ich habe bisher mit Produkten der Marken LEE FILTERS, FORMATT HITECH, HAIDA und COKIN gearbeitet und habe mit diesen Vieren grundsätzlich gute Erfahrungen gemacht. Es hat sich jedoch gezeigt, dass das System mit den farbneutralsten Verlauffiltern (meiner Erfahrung nach LEE) nicht zwangsläufig auch die bestgeeigneten Filterhalter hat und bei den Polarisationsfiltern gefällt mir die Lösung von COKIN am besten (mehr dazu in Teil II). Erfreulicherweise setzen aber alle vier genannten Hersteller bei ihren Profi-Serien auf eine Scheibenbreite von 100 mm mit ca. 2 mm Dicke, so dass die Filter, entsprechende Halter und manche Zubehörteile miteinander kombiniert werden können. Man kann sich also das Bestgeeignete zusammenstellen. Für spezielle Objektive mit besonders großem Durchmesser oder Superweitwinkelobjektive mit vorgewölbten Frontlinsen führen einige Hersteller wie HAIDA und NISI auch noch ein System mit grösseren, 150 mm breiten Scheiben. Für kompaktere Kameras hat COKIN mit der P-Serie (84 mm Filterbreite) und der A-Serie (67 mm Filterbreite) auch kleinere Größen im Programm. 

 

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Markt auch runde Grauverlauffilter anbietet, für die kein Halter erforderlich ist, da sie direkt auf das Objektiv geschraubt werden können. Derartige Filter eignen sich ausschließlich für Fotografen, die in ihren Landschaftsaufnahmen den Horizont grundsätzlich mittig durchs Bild laufen lassen.   ;-)

Copyright 2017 by Klaus Schörner / www.bonnescape.de


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