Nachtaufnahme extrem mit SONY Alpha 7s und NIKON D4
Zwei Tage lang nutze ich die Gelegenheit, eine SONY Alpha 7s auszuprobieren. Seitens des Herstellers wird diese Kamera speziell mit ihren High ISO-Fähigkeiten beworben. Daher entscheide ich mich für den Einsatz bei einer Nachtaufnahme unter Extrembedingungen zusammen mit der NIKON D4, die ich normalerweise für solche Aufnahmen verwende. Die SONY ist mit dem 28-70/3,5-5,6 mm OSS bestückt. Für die D4 wähle ich das AF-S 28-70/2,8 D IF-ED.
Aufnahmeort ist ein abgelegener, etwas verwilderter Parkplatz, der tagsüber von den Beschäftigten einiger benachbarter Unternehmen genutzt wird. Die Lichtbedingungen bei Nacht sind extrem fotofeindlich und für ein Shooting nur begrenzt realitätsnah. Normalerweise würde ich für solche Aufnahmen die Zeit der Abenddämmerung wählen, um mehr Restlicht für eine bessere Kontraststeuerung zu haben, und dann bei der Nachbearbeitung abdunkeln. Insbesondere dann, wenn Lichtquellen auf den Fotos noch durchgezeichnet erscheinen sollen. Aber ich will es den Kameras ja schwer machen, um die Leistungsgrenzen unter extremen Lichtbedingungen auszuloten. Und so beginne ich erst nach Sonnenuntergang. Die aus vereinzelten Laternen bestehende Parkplatzbeleuchtung stellt die einzige relevante Lichtquelle dar und ist mit HQI-Leuchtmitteln bestückt, die nach der Aufwärmzeit für das Auge einigermaßen farbneutral wirkendes Licht (ca. 3400 Kelvin) abgeben. Die hinter dem Parkplatz verlaufende Straße wird von Nebellaternen beleuchtet, deren gelb-oranges Licht den Himmel rot färbt. Einsetzender leichter Nieselregen legt einen dunstigen Lichthof um die Lichtquellen.
Unten: Das finale Foto auf Basis der D4-Aufnahme bei ISO 6400, Blende 8, Belichtungszeit 1,3 Sek., nach Umwandlung in Schwarz-Weiß mit dem Photoshop Kanalmixer. Um den Effekt der "Lichtinseln" zu verstärken, wurde der Himmel dabei durch Reduzierung des Orangekanals abgedunkelt und der Lichtschein durch Anheben des Gelb- und des Grünkanals verstärkt. Ansonsten Standardwerte.
Unten: Das gleiche Foto vor der Umwandlung in Graustufen.
Völlige Dunkelheit im Sucher der NIKON D4
Durch den optischen Sucher der NIKON D4 sehe ich in den Schattenpartien fast nichts. Es ist einfach zu dunkel. Die Lichtquellen, selbst wenn sie knapp ausserhalb des Bildfeldes liegen, erscheinen als überstrahlte Lichtpunkte mit Reflexen weit in die Schatten hinein. Der Sucher produziert dabei mehr Reflexe als das spätere Foto abbildet. Eine exakte Bestimmung des Bildausschnitts ist kaum möglich. Gleiches gilt für die Fokussierung, die per Autofokus nur dann gelingt, wenn ein Messfeld weit oben auf einen von der eigenen Leuchte angestrahlten Laternenmast gelegt werden kann. Der Lifeview versagt völlig, zeigt ein tiefschwarzes Monitorbild, vor dem gleissend hell das Gitterraster hervortritt, dass ich normalerweise als Grundeinstellung bevorzuge. Die vorübergehende Umstellung des Automatik-Betriebs auf manuelle Einstellung mit offener Blende und längstmöglicher Verschlusszeit ist umständlich, weil sie vor der eigentlichen Aufnahme zurückgestellt werden muss, bringt aber auch nur unwesentliche Aufhellung. Und so entscheide ich mich für Testauslösungen und schrittweises Nachjustieren von Bildausschnitt und Fokussierung. Die Belichtung der Aufnahme im Automatikbetrieb ist auf dem Punkt.
Unten: Goliath und David, das Gewicht der NIKON, wie abgebildet, beträgt 2275 g, die SONY kommt gerade einmal auf 784 g.
Brillantes Bild, aber unerwartete Vibrationen bei der SONY
Die SONY Alpha 7s dagegen zeigt ein brillantes, helles Sucherbild, viel heller als das reale Motiv. Auf Wunsch weisen zebragestreifte Flächen darauf hin, wo sich Bildbereiche wie zum Beispiel überstrahlte Lichter ausserhalb des darstellbaren Tonwertspektrums befinden. Das Gestalten des Bildes, wahlweise mit Sucher oder dem schwenkbaren Monitor, ist ein Vergnügen. Angenehmerweise wird die Anzeige automatisch auf den Sucher gelegt, wenn sich das Auge nähert, und wieder zurück auf den Monitor, wenn der Abstand zum Auge sich wieder vergrössert. Das geht auch bei Dunkelheit. Für das Scharfstellen stehen sowohl Autofokus als auch Fokus Peaking mit farbiger Markierung der scharf abgebildeten Konturen zur Verfügung. Beides funktioniert selbst in den Tiefen hervorragend und ermöglicht eine punktgenaue, knackscharfe Fokussierung. Toll! So sollte eine Kamera für Nachtaufnahmen ausgestattet sein. Das Umschalten zwischen beiden Fokussiermodi erfolgt über einen Knopf auf der Kamerarückseite. Warum die Kamera hin und wieder selbständig in den Manualfokusmodus zurückschaltet, erschliesst sich mir nicht so ganz. Überrascht bin ich auch, dass das Auslösen des Verschlusses eine spürbare Vibrationswelle durch das kompakte Kameragehäuse jagt. Erstaunlich, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die SONY gar keinen Spiegel hat, der bewegt werden müsste. Bei der NIKON bleibt nach Vorauslösen des Spiegels nur ein sanftes Klicken ohne Verwacklungsgefahr für die Langzeitaufnahme. Bei der Alpha 7s finde ich keine Möglichkeit, die Auslöseerschütterung zu vermeiden, und leider bewahrheitet sich später meine Befürchtung am Rechner: ein Teil der Aufnahmen zeigt trotz ordentlichem Stativ Spuren von Verwacklung.
Unten: Rechts oben neben dem komfortablen Schwenkmonitor befindet sich der Multifunktionsknopf, mit dem zwischen Autofokus und Manualfokus umgeschaltet werden kann, wenn der Drehschalter nach oben zeigt. Bei nach unten gerichtetem Schalter dient der gleiche Knopf zur AE-Lock Meßwertspeicherung.
Um maximale Qualitätsreserven für die Nachbearbeitung zu haben, wähle ich die Aufnahmeeinstellung Raw. Die NIKON schreibt Dateien im proprietären NEF-Format, die Dateien der SONY haben die Endung ARW. Für die Entwicklung verwende ich Lightroom 6, für die Nachbearbeitung Photoshop CS6.
Die Aufnahmen entstehen im Zeitautomatikmodus mit Blendenvorwahl 8. ISO-Werte von 6400 bzw. 12800 ermöglichen Verschlusszeiten zwischen 0,5 und 1,3 Sekunden. Ich korrigiere um einen Lichtwert nach unten, um ein zu starkes Aufhellen durch die Kameraautomatik zu vermeiden und die Leuchtenkonturen zu bewahren.
ISO 6400 und ISO 12800 sorgen trotz erkennbarem Rauschen für gute Bildergebnisse. Darüber verläuft für mich allerdings die Grenze des Verwendbaren. Die Fotos aus der D4 rauschen etwas grobkörniger, sind aber auch detailschärfer, was sicherlich auch der oben beschriebenen Auslösevibration zugeschrieben werden kann. Immerhin ist der NIKON-Sensor mit 16,2 Mp auch ein wenig höher auflösend als die 12,2 Mp der A7s und schließlich spielt die Nikon-Profilinse in einer anderen Liga als das 28-70er aus dem Hause SONY, was den Vergleich ein wenig unfair erscheinen lässt.
Höhere ISO-Einstellungen steigern das Bildrauschen sehr deutlich. Bei der D4 ist bei ISO 51200 (H02) Schluss. Die SONY arbeitet auch noch bis zu sagenhaften ISO 409600. Damit kann man trotz Dunkelheit sogar auf ein Stativ verzichten. Die Bildergebnisse sind für mich allerdings aufgrund des starken Rauschens unbrauchbar.
Unten: Bildausschnitte (links D4, rechts A7s) in 100%-Ansicht bei ISO 6400, Blende 8, 1,3 Sek. (D4) bzw. 1 Sek. (A7s).
Der automatische Weißabgleich der NIKON zeichnet etwas roter, bei der SONY etwas grüner. Die A7s zeigt feineres und gleichmäßigeres Rauschen, jedoch bei den Verschlusszeiten von 0,5 Sek bis 1 Sek. auch Verwacklungsunschärfe durch Verschlussvibrationen.
Unten: Bildausschnitte (links D4, rechts A7s) bei ISO 12800, Blende 8, 0,6 Sek. (D4) bzw. 0,5 Sek. (A7s).
Ergebnis wie bei ISO 6400, jedoch mit stärkerem Rauschen.
Unten: Bildausschnitte (links D4, rechts A7s) bei ISO 25600, Blende 8, 0,3 Sek. (D4) bzw. 1/4 Sek. (A7s).
Ergebnis wie oben, das Rauschen überschreitet für mich bereits die Grenze des Verwendbaren.
Unten: Bildausschnitte (links D4, rechts A7s) bei ISO 51200, Blende 8, 1/6 Sek. (D4) bzw. 1/8 Sek. (A7s).
Ergebnis wie oben, das Rauschen überschreitet für mich die Grenze des Verwendbaren. Bei der NIKON ist damit das High ISO limit erreicht. Die SONY lässt sich noch bis zu sagenhaften ISO 409600 drehen. Die Ergebnisse taugen allerdings nur, wenn man das extreme Rauschen als grafischen Effekt kultivieren möchte.
Fazit: Die geschilderten Aufnahmebedingungen sind ein extremer Spezialfall und haben somit nur punktuell Aussagekraft. So wurde weder das gesamte Funktionsspektrum der beiden Kameras benötigt, noch geben die Schilderungen Aufschluss darüber, wie die Geräte sich unter anderen Bedingungen bewähren würden. Im Zentrum des Vergleichs steht die Praxistauglichkeit der High ISO-Einstellungen oberhalb von 3200, was primär für Fotos aus der Hand bei schlechten Lichtverhältnissen interessant ist. Für ein solch statisches Motiv mit Aufnahme vom Stativ wie hier bringen hohe ISO-Werte jedoch normalerweise kaum Vorteile. In der Praxis würde ich einen niedrigeren ISO-Wert wählen und entsprechend länger belichten.
Die SONY Alpha 7s überzeugt bei dem Nacht-Shooting durch ihr restlichtverstärkendes Sucher/Monitor-Bild, das im Gegensatz zur NIKON D4 selbst bei extrem geringem Licht ein komfortables Arbeiten unterstützt. Die Möglichkeit, den Monitor bei hoher oder tiefer Kameraposition auszuschwenken, ist das i-Tüpfelchen, dass ich bei der D4 je nach Kameraposition ebenfalls durchaus schmerzlich vermisse. Die Fähigkeit der SONY, bei schlechten Lichtverhältnissen Fotos zu erzeugen, die nicht völlig verrauscht sind, sind herausragend und übertreffen das bereits ziemlich hohe Niveau der D4. Die tatsächlich vorwählbaren High ISO-Werte dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass in den Spitzenbereichen keine verwendbaren Bildergebnisse mehr entstehen, es sei denn, man will das Rauschen als grafischen Effekt kultivieren. Einziges echtes Manko der Alpha 7s ist die Erschütterung während der Belichtung, die im vorliegenden Fall bei Belichtungszeiten ab 1/2 Sekunde sichtbar wird. Dem würde ich beim nächsten Nacht-Shooting mit einem noch schwereren Stativ begegnen. Eventuell hat SONY diesem Problem beim Nachfolgemodell bereits Rechnung getragen. Jedenfalls soll die Alpha 7s II mit einer Bildstabilisierung im Kameragehäuse ausgestattet sein, die daraufhin zu testen wäre, ob sie nicht nur dem Verwackeln beim Fotografieren aus der Hand, sondern auch beim Stativbetrieb kameraseitigen Erschütterungen entgegenwirken kann.
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Manuel Glaser (Dienstag, 12 Dezember 2017 19:28)
Dass man den Verschluss bei einer Kamera die über 2 kg wiegt als weniger spürbar empfindet, als bei einer welche nicht mal die Hälfte auf die Waage bringt, sollte mit ein wenig logischem Verständnis jedem klar sein. Für mich ist das ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen.
Wer mit eingeschaltetem Bildstabilisator vom Stativ fotografiert, braucht sich nicht über verwackelte Aufnahmen wundern.
Zudem klingt "Zwar mit üppigen zebragestreiften Darstellungsfehlern in den überstrahlten Lichtern, aber immerhin." für mich nicht grade danach, als hätte sich der Autor über den Sinn und Zweck der Zebra-Funktion erkundigt. :-)
Und vom elektr. Verschluss kein Wort. Für mich ein ziemlich praxisferner Vergleich!
Klaus (admin) (Mittwoch, 13 Dezember 2017 01:13)
@ Manuel Glaser: Danke für die Kritik. Da die Formulierung mit den Zebrastreifen offenbar missverständlich ist, habe ich sie etwas umformuliert und denke, dass meine Intention nun klarer wird. Danke insbesondere für diesen Hinweis.
Es ging bei dem Test, wie ausdrücklich gesagt, nicht um einen umfassenden Review mit Schilderung aller technischen Eigenschaften, sondern darum, die beiden Kameras auf ihre Performance bei dem beschriebenen speziellen Einsatz zu testen. Dass die eine schwerer ist, liefert vielleicht eine Begründung für geringere Vibrationen, ändert meiner Meinung nach aber nichts an der Zulässigkeit des Vergleichs, wie beide Geräte unter den beschriebenen Bedingungen performen. Ein Vergleich zwischen beiden muss allein schon deswegen erlaubt sein, weil beide Kameras seitens ihrer Hersteller für solche Einsatzzwecke empfohlen werden und man als Fotograf (so wie ich) eventuell vor der Entscheidung zwischen beiden steht. Das Kameragewicht ist bei dem betreffenden stativ-affinen Motiv irrelevant, die Verschlussvibrationen und ihre direkten Auswirkungen sind es dagegen keineswegs.
Heiko (Mittwoch, 13 Dezember 2017 14:42)
Also wenn der elektronische erste Vorhang eingeschalten ist, mit einem Fernzünder oder verzögert ausgelöst wird sowie SteadyShot aus ist, gibt es gar keine Verwackelungen mehr in der A7S. Evtl. war bei der der elektronische erste Vorhang aus und/oder SteadyShot an, anders kann ich mir das nicht erklären.
Klaus (admin) (Mittwoch, 13 Dezember 2017 15:41)
@ Heiko: Ja, das sind ja die normalen Einstellungen für Langzeitaufnahmen. Mangels Kabelauslöser waren die Fotos damals übrigens per Selbstauslöser entstanden. Es liegt nun schon ein Jahr zurück und ich habe nicht die Möglichkeit eines direkten Vergleichs, aber in der Erinnerung meine ich, dass die Vibrationen beim Auslösen deutlich stärker waren als bei der Alpha 7s II, die ich gerade vor mir liegen habe. Bei dieser hier sehe ich dieses Problem gar nicht. Übrigens auch nicht, wenn der elektronische erste Verschlussvorhang ausgeschaltet ist. Dieser verkürzt den Verschlussablauf auf gefühlt die Hälfte, ändert aber wenig an der Lautstärke oder den Vibrationen, die beide eh schon sehr gering sind.
Manni (Mittwoch, 13 Dezember 2017 18:45)
Haben beide Cams den gleichen Verschluss?
Klaus (admin) (Mittwoch, 13 Dezember 2017 19:48)
@ Manni: Ist mir leider nicht bekannt. Allerdings ist die mir vorliegende 7s II wenige Wochen alt, während die 7s vor einem Jahr ein älteres Exemplar aus der Kameravermietung war.
Der Matz (Dienstag, 02 Januar 2018 09:47)
Erschütterungen durch den Verschluss bei A7... Cams sind ja nix Neues. Ist schon viel in Foren und Reviews drüber geschrieben worden. Da braucht man nur mal googeln. Eine Spiegelreflex mit weg geklapptem Spiegel klickt weicher. Wenn der Lifeview schwarz bleibt, dann wars sicher dunkler, als die Bilde oben Glauben machen. Also eine Extremsitu, die die Cams halt an ihre Grenzen führt. Für mich ist Vergleich Rauschen und Handling interessanter. Danke dafür. Gegens Wackeln nehm ich bei sowas ein extra schweres Stativ mit.
Angie (Mittwoch, 12 September 2018 08:15)
Ich hatte nacheinander beide, Alpha 7S I und II. Hab inzwischen auf 7R II upgegraded. :-)
Mit der II hatte ich nie Probleme mit verwackelten Bildern, mit der I schon.
Liebe Grüße Angie