Technik: Der Nodalpunkt in der Panorama-Fotografie
Der Nodalpunkt ist, populärwissenschaftlich ausgedrückt, das optische Zentrum des Objektivs. Bevor wir uns anschauen, wann und warum dieser Punkt für den Fotografen interessant ist, bedarf es aber zunächst der Klärung des Begriffes Stitching. In der Fotografie versteht man darunter eine Technik, bei der ein Bild aus zwei oder mehr Teilaufnahmen mit einer jeweils leicht veränderten Ausrichtung der Kamera passgenau zusammengesetzt wird.
Wie gehe ich beim Stitching vor?
Ziel des Stitching ist normalerweise die Erfassung eines größeren Bildwinkels, als die einzelnen Teilaufnahmen ihn liefern können. Die Technik kann aber auch dazu verwendet werden, ein Bildergebnis mit sehr hoher Auflösung für großformatige Vergrößerungen zu schaffen. Stitching-Beispiele aus früheren Posts mit dem jeweiligen Making-Of findet Ihr in der Link-Liste am Ende dieses Beitrags.
Normalerweise wird man die Bildserie für ein Stitching erstellen, indem man die Kamera auf ein Stativ schraubt und für jede Teilaufnahme ein Stück weiter dreht oder schwenkt. Entscheidend ist dabei, dass die Kamera für die einzelnen Teilbilder gerade so weit gedreht wird, dass sich im Randbereich der Fotos überlappende Bildbereiche ergeben. Diese werden benötigt, um Material für das Zusammenrechnen zu liefern. Nebeneinander liegende Fotos werden also immer einen Bereich des Motivs gemeinsam bzw. doppelt abbilden. Das Zusammensetzen der Einzelfotos erledigt man in der Regel nicht manuell, sondern zumindest halbautomatisch mit dem Photomerge-Befehl eines Bildbearbeitungsprogramms oder mit spezieller Stitch-Software, die der Markt in recht großer Auswahl bereithält.
Oben: Die eingangs gezeigten sieben hochformatigen Einzelbilder sind die Bauelemente dieses Panoramas, das eine Größe von 14.317 x 4.825 Pixeln entsprechend 69 MP erreicht. Aufnahmen mit NIKON D4 und dem Nikkor AF-S 2,8/28-70 D IF-ED.
Was tun, wenn die Panoramateile nicht zusammenpassen?
Hat man auf diese Weise eine Bildserie erstellt, wird man beim Zusammenfügen möglicherweise feststellen, dass die einzelnen Fotos insbesondere im Vordergrund nicht exakt zusammenpassen. Bei der Bearbeitung durch die Software kommt es zu Geisterbildern, Verzerrungen und Unschärfen, so dass manuell nachgebessert werden muss. Grund dafür ist die Parallaxe. Die ergibt sich daraus, dass die Kamera nach jeder Drehung einen leicht veränderten Blick auf die Vordergrundelemente in Bezug zum Hintergrund erhält. Der Effekt tritt umso stärker auf, je mehr Objekte sich im Vordergrund des Bildes befinden, die sich vor dem Hintergrund verschieben können. Bei einem Panorama mit reiner Fernsicht wird die Parallaxe dagegen kaum eine Rolle spielen.
Gehen wir im einfachsten Fall mal von einem einzeiligen Panorama aus, bei dem die Kamera lediglich horizontal gedreht wird. Die Stativsäule bildet dabei normalerweise die Achse, um die sich die Kamera dreht. Die mehr oder weniger zentrierte Position des Anschlussgewindes am Kameraboden, die Bauweise des Stativkopfes und gegebenenfalls seine Hochformatunterstützung sowie die Art der Verbindung zwischen Stativkopf und Kamera haben Einfluss darauf, ob sich die Kamera mittig oder in mehr oder weniger großem Abstand um die Stativachse dreht.
Oben: Gängige Hochformat-Positionierung der Kamera, die zum Anfertigen von Bildserien für das Panorama-Stitching weniger gut geeignet ist. Da die Kamera aus der Stativachse herausgeschwenkt ist, kreist der Nodalpunkt, d.h. das optische Zentrum des Objektivs, beim Drehen der Kamera in einem großen Abstand (Radius R) um die Drehachse D.
An dieser Stelle kommt nun das optische Zentrum des Objektivs, also der Nodalpunkt, ins Spiel: Durch ihn verlaufen alle Achsen, um die die Kamera für die diversen Einzelfotos rotieren kann, ohne dass es beim späteren Zusammenfügen zu Passungenauigkeiten zwischen Vorder- und Hintergrund kommt. Für unser Horizontalpanorama bedeutet das: Je weiter der Nodalpunkt von der Stativachse entfernt ist, desto stärker wirkt sich beim Drehen der Kamera die Parallaxe aus. Es muss also das Ziel sein, die Kamera für die einzelnen Fotos so auf dem Stativ zu befestigen, dass der Nodalpunkt des verwendeten Objektivs auf der (in der Vorstellung nach oben verlängerten) Stativachse liegt. Am einfachsten geht das unter Verwendung eines Panoramakopfes mit Nodalpunktadapter, der zum präzisen Justieren der Kamera ein dosiertes Verschieben in alle Richtungen erlaubt, während das Stativ selbst in seiner Position bleibt.
Oben: Der Nodalpunktadapter 303Plus von MANFROTTO verfügt über besonders lange Einstellschienen, so dass er auch für große Kameras und Objektive geeignet ist. Zahntriebe und Maßskalen unterstützen die präzise Einstellarbeit, Entriegelungshebel und eine Schnellverstellung sparen Zeit, wenn größere Einstellwege zurückgelegt werden müssen. Die Linien A und B zeigen die für das einzeilige Panorama relevanten Einstellwege. Der rote Punkt deutet den im Objektivzentrum liegenden Nodalpunkt an, der hier korrekt auf der vertikalen Drehachse D positioniert ist (verlängerte Stativsäule).
Ein Nodalpunktadapter für einzeilige Panoramen besteht im Prinzip aus zwei Einstellschienen, die im rechten Winkel über Kreuz aufeinander befestigt werden können. Die untere wird verschiebbar mit dem Panoramakopf oder dem Drehteller des Stativs verbunden. Die obere sitzt ebenfalls verschiebbar auf dem unteren und verfügt über eine Aufnahme zur Befestigung der Kamera im Hoch- und im Querformat. Generell kann ein Nodalpunktadapter sehr einfach aufgebaut sein, so lange er die erforderliche Stabilität aufweist, um die Kamera in der ermittelten Position sicher zu fixieren. Ist der Nodalpunktadapter mit Maßskalen, Zahntrieben zur präzisen Einstellung und Federriegeln zur Schnellverstellung ausgestattet, kann das die präzise Ermittlung des Nodalpunktes sehr erleichtern. Eine perfekte Ergänzung ist ein unten angesetzter Panoramakopf mit 360°-Skala und verschiedenen vorwählbaren Rastungen, die einen jeweils gleichmäßigen Drehweg der Einzelbelichtungen ermöglichen. Zwingend erforderlich ist das allerdings nicht. Ein ordentlicher, sauber horizontal ausgerichteter Stativdrehteller und das Drehen der Kamera mit Augenmaß tun's auch.
Oben: Panoramakopf mit 360°-Skala und vorwählbaren Rastungen, mit denen gleichmäßige Drehschritte möglich sind.
Wie bestimme ich den Nodalpunkt?
Der Nodalpunkt ist weder der metrische Mittelpunkt, noch der Schwerpunkt des Objektivgehäuses. Ich kenne auch keinen Objektivhersteller, der bei seinen Objektiven den Nodalpunkt durch Markierungen anzeigt. Letzteres würde auch zumindest bei Zoom-Objektiven schwierig. Schließlich kann das optische Zentrum bei den verschiedenen einstellbaren Brennweiten an unterschiedlichen Stellen liegen. Man kommt also nicht darum herum, den Nodalpunkt selbst zu bestimmen. Dazu richtet man die Kamera mit dem Nodalpunktadapter zunächst in der Bildebene durch Verschieben nach links oder rechts mittig aus, während das Stativ unverändert bleibt. Die richtige Position ist dann erreicht, wenn die gedachte Mittelachse des Objektivs auf die in der Vorstellung nach oben verlängerte Stativachse trifft. Je nach Beschaffenheit des verwendeten Adapters kann man das notfalls nach Augenmaß einstellen oder besser, indem man die Kamera nach unten schwenkt und dann nach links oder rechts verschiebt, bis die Einstellschiene oder der Stativdrehpunkt im Zentrum des Suchers oder Monitors erscheint.
Oben: Beim Manfrotto Nodalpunktadapter lässt sich die Kamera nicht so weit nach unten schwenken, dass eine Fokussierung auf den Stativmittelpunkt möglich wäre. Dieser wird zudem durch die Schienen verdeckt. Stattdessen schwenke ich die Kamera nur so weit nach unten, dass der weiße Punkt, den ich am Schienenende zur Markierung der Mittelachse angebracht habe, in der Bildmitte erscheint. Das zentrale Autofokus-Feld dient mir dabei als Anhaltspunkt. Ich verschiebe die Kamera so weit nach links oder rechts, bis das rechteckige rote Autofokusfeld im Zentrum des weißen Punktes erscheint.
Der nächste Schritt ist nun die Positionierung der Kamera in Aufnahmerichtung durch Verschieben in Richtung Motiv oder zurück. Am einfachsten lässt sich das bewerkstelligen, indem man die Kamera auf ein nahe stehendes lineares Objekt und einen vom Blickwinkel her dahinter liegenden, signifikanten Punkt im Hintergrund ausrichtet. Das kann zum Beispiel ein Zaunpfahl oder der Mast eines Verkehrsschildes im Vordergrund sein und ein weit entfernter Baum oder wie hier ein Windrad im Hintergrund. Je größer die Entfernung zwischen beiden Objekten und je geringer der Aufnahmeabstand der Kamera zum vorderen Objekt, umso präziser kann auf den Nodalpunkt justiert werden.
Der Blick durch den Sucher wird vermutlich zunächst zeigen, dass sich beim Drehen der Kamera nach links und rechts die Position von Pfahl und Bezugspunkt im Hintergrund zueinander verändern. Auf der Einstellschiene schiebt man nun die Kamera schrittweise vor oder zurück und kontrolliert jeweils im Sucher, ob das beim Drehen der Kamera noch immer der Fall ist. Ist die Einstellung erreicht, bei der die beiden Objekte trotz Kameradrehung unverändert hintereinander bleiben, befindet sich der Nodalpunkt des Objektives (und der betreffenden Objektivbrennweite) auf der Drehachse und man kann mit den Teilaufnahmen für das Panorama beginnen.
Links: Beim Ausrichten der Kamera in Aufnahmerichtung wird die Kamera vor oder zurück geschoben. Nach jedem Verstellschritt muss per Kameradrehung durch den Sucher oder am Kameramonitor geprüft werden, ob man sich der richtigen Position nähert oder diese schon erreicht ist.
Oben: Kameradrehung nach links, geradeaus und nach rechts. Bei der mittleren Ausrichtung befinden sich die Bezugspunkte ungefähr in der Bildmitte. Durch Drehen der Kamera nach links oder rechts rücken die Bezugspunkte an den rechten oder linken Bildrand und man kann prüfen, ob sich ihre Position zueinander verändert.
Oben: Bildausschnitte passend zu den Kameradrehungen oben. Die markierten Areale werden unterschiedlich abgebildet, da die Drehung der Kamera nicht im Nodalpunkt erfolgt. Die Kamera muss also weiter nach vorn oder zurück verschoben werden, um den richtigen Drehpunkt zu finden.
Unten: Dass der Nodalpunkt nun richtig auf der Drehachse liegt, erkennt man daran, dass die Position der Bildelemente im Hintergrund zu dem roten Mast im Vordergrund beim Drehen der Kamera gleich bleiben.
Links: Es lohnt sich, die gefundenen Einstellungen am Panoramakopf zu markieren. Häufig sind Nodalpunkt-Adapter aber auch mit Maßskalen ausgestattet, so dass die eingestellten Werte beim nächsten Panoramafoto mit der betreffenden Brennweite voreingestellt werden können.
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ms (Freitag, 10 April 2020 10:03)
Danke für die Anleitung, Klaus. Sehr gut verständlich und plausibel bebildert. Der Manfrotto Adapter ist wohl der Königsweg. Für leichte Kameras gibt es inzwischen einfachere und billigere Produkte.
Schöne Ostertage!
Markus
Tobias Mueller (Donnerstag, 29 Oktober 2020 14:47)
Sehr gut bebildert. Irgendwie geht es ja auch mit einem normalen Stativ oder sogar aus der Hand. Aber wenn man sich die Detailfotos oben ansieht, wird klar, dass es dann eben nicht gut ist und beim Zusammenfügen Murks ist.
tm
Uwe (Mittwoch, 24 Juli 2024 10:21)
Irgendwie wusste ich es ja schon, wie es geht. Aber es ist gut, das nochmal so nachlesen zu können. Gut beschrieben und mit den Bildern passend gezeigt.
mfg, Uwe