Test: Kompaktkamera vs. Iphone SE (Teil 2)
Die meisten von uns besitzen ein Smartphone. Das kleine "Immer-dabei-Wunderding" ist super-kompakt und bringt oft beachtliche Bildqualität aufs Display. Da bietet es sich an, den technischen Alleskönner generell als Ersatz für eine "echte" Kamera zu verwenden. Die Fortsetzung unseres Praxistests vergleicht diesmal die Bildqualität eines aktuellen 4"-Smartphones mit der einer Kompaktkamera unter schwierigen Lichtbedingungen.
Nachdem unsere beiden Kontrahenten in Teil 1 gezeigt haben, was sie unter normalen Lichtbedingungen im Außenbereich leisten können, setzen wir das IPHONE SE und die SONY RX100 II nun einer Innenraum-Situation aus, die durch Gegenlicht, Mischlicht, Kunstlicht und hohe Bildkontraste gekennzeichnet ist. Die Auflösung der SONY ist wiederum auf 10 Mp gedrosselt und das Ausgabeformat jpg vorgewählt, was den Smartphone-Leistungsdaten näher kommt. Beim Smartphone werden die Aufnahmeparameter Verschlusszeit, Blende, ISO-Wert und Weißabgleich vollautomatisch ermittelt. Daher überlasse ich die Steuerung bei der SONY ebenfalls der Kameraautomatik. Ich verzichte auf manuelle Belichtungskorrekturen, da diese durch die intuitive Touchscreen-Bedienung beim Smartphone nicht reproduzierbar wären. Das Smartphone erzeugt zudem den Effekt einer digitalen Bildwinkel-Verringerung ("Ins-Bild-hinein-zoomen"), die jedoch mit einer deutlichen Qualitätsminderung einhergeht und daher hier nicht den Maßstab bilden soll. Entsprechend verwende ich bei beiden Geräten die Weitwinkel-Einstellung, die einer Brennweite von etwa 28 mm entspricht (entsprechend Kleinbild).
Test-Set 3: Innenaufnahme bei Mischlicht mit Gegenlicht
- Aufnahmewerte RX100: 1/60 Sek. bei Blende 2,8, ISO 160, Dateigröße 2,4MB
- Aufnahmewerte IPHONE: 1/33 Sek. bei Blende 2,2, ISO 80, Dateigröße 1,6 MB
Das Kamerabild ist scharf und kontrastreich mit natürlicher Farbgebung und mit noch akzeptabler Durchzeichnung in den Schatten. Die SONY hat es geschafft, trotz des physikalisch nicht abbildbaren Kontrastumfangs ein ausgewogen wirkendes Bild zu produzieren, das die Tonwertverluste gleichmäßig auf Lichter und Tiefen verteilt.
Das Foto des Smartphones offenbart größere Probleme mit dem extremen Hell-Dunkel-Kontrast des Motivs und priorisiert die Tiefen zu Lasten der hellen Bildbereiche. Während die dunklen Partien etwas flau und verrauscht, aber korrekt belichtet wirken, sind die Lichter völlig überstrahlt. In der Nachbearbeitung kann nur wenig gegengesteuert werden, da das jpg-Format keine Tonwert-Reserven birgt. Zudem führt jede Tonwert-Verschiebung oder Erhöhung des Tonwert-Umfangs zu einer Verringerung der Tonwertstufen, was durch stufige Verläufe zum Ausdruck kommen kann. Eine nachträgliche Schärfung des IPHONE-Fotos wird erschwert durch die stärker ausgeprägten Artefakte. Diese erklären sich durch eine aggressivere Komprimierung des Smartphone-jpg zugunsten einer kleineren Bilddateigröße. Obwohl das Smartphone 20% mehr Bildauflösung aufweist, ist die Dateigröße über 30% geringer als bei der SONY.
Oben: Die SONY RX100 II verarbeitet den extremen Kontrastumfang des Motivs zu einem Bild mit einigermaßen ausgewogenem Gesamteindruck. Die Grenzen des darstelllbaren Tonwertspektrums zeigen sich in den Lichtern und Tiefen gleichermaßen.
Unten: Das IPHONE SE belichtet heller und gibt die Lichter völlig und weitläufig überstrahlt wieder. Die Tiefen zeigen in der Vergrößerung deutliches Rauschen.
Unten: Für einen Detailvergleich beider Bilder bietet sich nur der ähnlich belichtete Bildteil mit der Tischdecke an. In der 100%-Ansicht zeigt das Foto der SONY (links), obwohl aufgrund der geringeren Auflösung ein wenig kleiner, besser differenzierte Details als das Bild des IPHONE SE (rechts).
Test-Set 4: Wie Test-Set 3, aber mit integriertem Aufhellblitz
- Aufnahmewerte RX100: 1/60 Sek. bei Blende 2,8, ISO 160, Dateigröße 2,3 MB
- Aufnahmewerte IPHONE: 1/220 Sek. bei Blende 2,2, ISO 32, Dateigröße 1,8 MB
Bei der SONY RX100 sorgt der geräteeigene Blitz für eine kräftige Aufhellung der Schatten. Dabei behält die Kompaktkamera die Belichtungswerte aus der Voraufnahme unverändert bei und schaltet einfach nur den Aufhellblitz dazu. Das Ergebnis ist technisch in Ordnung, aber nicht wirklich schön. Hier würde man normalerweise Maßnahmen ergreifen, um die warme Lichtstimmung nicht durch neutralfarbiges Blitzlicht zu dominieren, z.B. durch Verringern der Blitzintensität um 1-2 Lichtwerte, indirektes Blitzen gegen die Raumdecke oder einen Reflektor oder durch Tönen des Blitzlichtes durch eine Farbfolie (ja, das ist alles machbar mit der RX100). Beim Smartphone sorgt die Aktivierung des integrierten Blitzes für eine starke Abdunkelung der Bildwiedergabe, ohne dass der Blitz in der Lage wäre, sich sichtbar durchzusetzen. Die hellen Bildpartien sind jetzt gut durchgezeichnet, während die Tiefen völlig wegdriften. Die Ergebnisse beider Kontrahenten sind derart unterschiedlich belichtet, dass man keinen vergleichbaren Bildteil findet, so dass hier auf einen Schärfevergleich in 100%-Ansicht verzichtet wird.
Oben: Automatische Belichtung mit Blitz. Die SONY RX100 II arbeitet mit den gleichen Belichtungsdaten wie ohne Blitz und schaltet lediglich den Blitz zu. Im Ergebnis werden die Schattenbereiche aufgehellt, während die Lichter unverändert bleiben.
Unten: Das IPHONE SE belichtet nun deutlich dunkler, ohne dass der Blitz für eine adäquate Schattenaufhellung stark genug wäre.
Test-Set 5: Innenaufnahme bei Kunstlicht
- Aufnahmewerte RX100: 1/30 Sek. bei Blende 1,8, ISO 800, Dateigröße 1,6 MB
- Aufnahmewerte IPHONE: 1/17 Sek. bei Blende 2,2, ISO 250, Dateigröße 1,9 MB
Beide Fotos wirken farblich einigermaßen ausgewogen und für sich betrachtet gefällig. Die warme Lichtstimmung ist in beiden Fällen erhalten geblieben, die Farbcharakteristik der Kunstlicht-Beleuchtung wurde jedoch durch den automatischen Weißabgleich unterschiedlich auskorrigiert.
Das mit der SONY aufgenommene Foto erscheint etwas zu gelb, ist aber kontrastreich und auch in den dunkleren Bildpartien brillant mit noch guter Detailauflösung. Lediglich die Tiefen erscheinen tiefschwarz und ohne Zeichnung. Das Foto des IPHONE hat eine mehr rötliche Tendenz, die etwas natürlicher wirkt als der Gelbton des RX100-Fotos. In den Tiefen mangelt es dem Smartphone-Foto jedoch an Brillanz und Detailschärfe.
Die Bilddaten offenbaren eine unterschiedliche Belichtungsstrategie der beiden Kontrahenten. Während die SONY ihre High-ISO-Fähigkeiten und die Qualität des ZEISS-Objektivs bei Offenblende einsetzt, um eine sicher aus der Hand bedienbare Verschlusszeit zu erreichen, beschränkt sich das IPHONE SE wohl zur Rauschvermeidung auf moderate ISO 250. Die daraus resultierende lange Verschlusszeit von 1/17 Sek. bringt bei Aufnahmen aus der Hand ein hohes Verwacklungsrisiko mit sich, und ein Fotografieren vom Stativ wie hier im Test kann bei einem Smartphone sicher nicht als gängige Betriebsart vorausgesetzt werden.
Oben: Testaufbau beim Vergleich der Bildqualität unter Kunstlichtbedingungen.
Oben: Das Foto der Kompaktkamera ist scharf, brillant und detailreich mit etwas zu dunklen Tiefen, wirkt aber ein wenig zu gelb.
Unten: Das Smartphone produziert ein Bild mit realistisch erscheinender Farbgebung, ist aber in den dunklen Bildbereichen flau und offenbart Schwächen in der Detailzeichnung.
Unten: In der 100%-Ansicht zeigt sich das Foto der RX100 II (links) dem des IPHONE (rechts) in Schärfe und Brillanz überlegen.
Vorläufiges Fazit aus Teil 1 und 2:
Solange man eine Gegenlichtsituation vermeidet, liefert das IPHONE SE unter ausgewogenen, hellen Lichtbedingungen (siehe Teil 1 des Praxistests) gute Bildergebnisse, die dem Foto der (in Auflösung und Ausgabeformat gedrosselten) Kompaktkamera zwar nicht ebenbürtig sind, jedoch eine Weiterverarbeitung im Tintenstrahler oder im Offsetdruck nicht von vornherein ausschließen. Schwierigere Verhältnisse wie wenig Licht, hohe Kontraste, Misch-, Kunst- oder Gegenlicht bringen die Bildqualität des IPHONE SE an seine Grenzen, insbesondere wegen der nicht ideal arbeitenden Belichtungsautomatik und dem zu schwachen Blitz. Eine manuelle Korrektur der Belichtung durch Antippen eines bildwichtigen Bereichs kurz vor der Aufnahme kann hier in manchen Fällen sicher zu besseren Ergebnissen führen. Die Möglichkeiten einer Verbesserung der Bildqualität durch Nachbearbeitung sind begrenzt, da das Ausgabeformat keine Tonwertreserven bietet und deutliche Artefakte ausbildet, die eine Folge starker Komprimierung sind. Generell wirken die Fotos des IPHONE SE bei unvergrößerter Ansicht auf dem Display ansprechend, offenbaren hinsichtlich ihrer Detailauflösung, die ein wesentliches Element der Vergrößerungsfähigkeit einer Bilddatei ist, jedoch Schwächen. Man kann davon ausgehen, dass der Hersteller dementsprechende Prioritäten gesetzt hat, zumal bei der Bildbetrachtung von Smartphone-Fotos vermutlich Smartphone-Displays die bevorzugte Plattform darstellen und eine Weiterverarbeitung im Sinne eines Drucks auf Papier eher die Ausnahme sein dürfte. Die SONY RX100 II liefert auch unter prekären Lichtverhältnissen nicht nur bessere Bildqualität als das Smartphone, sondern würde zudem (hier nicht genutzte) erhebliche Qualitätsreserven durch ihre maximale Sensorauflösung und die Wahl des Raw-Formats mitbringen.
Teil 3 dieses Tests wird zeigen, wie sich die Bildqualität beim Druck darstellt.
Copyright 2017 by Klaus Schörner / www.bonnescape.de
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